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Bericht aus Hawassa vom November 2021

von Hendrijk Guzzoni


Politische Situation in Äthiopien

Die Lage in Hawassa ist völlig ruhig. Die militärischen Auseinandersetzungen

im Norden heizen die eh schon sehr starke Inflation nochmals an. In Hawassa wie im (fast) gesamten Land wundert man sich über die einseitige Pro-Rebellen-Berichterstattung im westlichen Ausland. In der Zeit meines Aufenthaltes gab es mehrere große Demonstrationen für Ministerpräsident Abij. Ein Einmarsch der Rebellen in Addis in den nächsten Monaten ist sehr unwahrscheinlich, ein Überschwappen des Bürgerkrieges nach Hawassa im Süden nicht vorstellbar. In Hawassa wird eher mit einem militärischen Zurückdrängen der Rebellen gerechnet diese haben außerhalb der Tigray Region kaum Sympathie. Die Menschenrechtslage ist von Freiburg aus nicht zu beurteilen: in Hawassa hörte ich von Gräueltaten der Tigray. Hier hört man von Menschenrechtsverletzungen seitens der Regierung. Es ist zu befürchten, dass beides zutrifft.


COVID

Äthiopien ist von einer „vierten Welle“ weit entfernt. Die Infektionszahlen sind deutlich niedriger als z.B. vor einem Jahr. Dennoch ist schwer abzuschätzen, wie ernst die Lage tatsächlich ist, da unklar ist, wie viel getestet wird wie hoch die Dunkelziffer ist. Die Impfquote in Äthiopien beträgt ca. 5%. Im Center und auch bei den Begünstigten des Community Support Programs ist geimpft worden. Viele lehnen eine Impfung jedoch ab. Die Vorsichtsmaßnahmen im Center sind beachtlich, aber nicht lückenlos.


Community Support Program

Dank der großartigen Unterstützung der Familienstiftung Woelffer können wir dieses Jahr im Community Support Program knapp 100 Personen unterstützen. Vornehmlich sind dies alleinerziehende Mütter, aber auch Betagte, Menschen mit Handicap sowie einige Studierende und einige Frauen im „Junge Mütter-Programm“. Die Alleinerziehenden bekommen, wenn möglich ein Training als Näherin, Friseurin (siehe unten bei Solarprojekt) o.ä. mit einer kleinen Start-Up-Unterstützung und sollten in der Regel nach einem Jahr das Programm verlassen. Die anderen verbleiben länger im Community Support Program. Rund 130 Kinder der alleinerziehenden Mütter bekommen Schulgeld, Schuluniformen und Lernmaterial. Die Menschen mit Behinderung und die Alten medizinische Betreuung. Alle Begünstigten werden regelmäßig besucht und bekommen auch Unterstützung in verschiedensten Lebenslagen. Der Leiter des Community Support Programs macht eine sehr gute Arbeit.

Das Programm erfreut sich nicht nur bei den Begünstigten, sondern auch bei den Behörden höchster Wertschätzung. Eine immer wiederkehrende Debatte ist, ob wir den Schwerpunkt darauf legen sollten, die Zahl der Begünstigten zu erhöhen oder ob wir eher – gerade mit Blick auf die hohe Inflation – die Zuwendungen für die Einzelnen erhöhen sollten.


Solarprojekt

Das Solarprojekt mit der GIZ ist sehr gut angelaufen. Aufgrund einiger zeitlicher Verzögerungen soll es bis Ende 2022 verlängert werden, zudem wird bereits über ein Folgeprojekt nachgedacht. Die Zusammenarbeit mit dem örtlichen GIZ-Büro läuft sehr gut. Derzeit wird ein solarbetriebener Friseursalon bei uns im Center eingerichtet. Dort soll nächstes Jahr auch eine Gruppe von Alleinerziehenden aus dem Community Support Program ausgebildet werden. Demnächst wird die Solaranlage im Center selbst auf die doppelte Leistung vergrößert. Schwerpunkt des Projekts sind Schulungen in Solartechnik für verschiedenste Zielgruppen in Hawassa und aus den umliegenden Dörfern, die meist bei uns im Center stattfinden.


Werkstätten

Seit zwei Jahren haben wir uns wieder auf 3-Monate-Kurztrainings für Jugendliche von der Straße konzentriert. Danke an die Familienstiftung Woelffer für ihre Unterstützung! Jugendliche mit so einem Training haben deutlich bessere Chancen, Arbeit zu finden oder sich mit einem kleinen Laden selbständig zu machen. Wir bieten Kurse als Schreiner, Schlosser an, sowie als Schneiderin und nächstes Jahr auch als Friseurin. Es fehlt immer noch die Lizenz für Produktion und Verkauf.

Der Bereich IT, Sekretariatswesen, Buchhaltung usw. arbeitet leider immer noch nicht – wie eigentlich vorgesehen – rentabel. Insgesamt erscheint für den gesamten Bereich der Werkstätten eine Diskussion um eine dauerhafte, nachhaltige Ausrichtung erforderlich.


Schule, Colleges und Universität

Die Schulnoten waren diesen Sommer insgesamt nicht so erfreulich. Dies hat sicher auch viel mit der COVID-Situation und der monatelangen Quarantäne unserer Kinder zu tun. Wir sind zuversichtlich, dass mit einer Neuorganisation der Hausaufgabenbetreuung sich vieles zum Positiven wenden wird.



Ein großartiger Moment für unser Projekt war, dass diesen Sommer nicht weniger als sechs Studierende ihren Uni-Abschluss und eine weitere junge Frau den College-Abschluss gemacht haben. Es gab ein großes Fest bei uns im Center. Die Graduierten verlassen nun das Center, werden aber für ein Jahr im „Job Security Program“ unterstützt. Für ein Jahr wird hierfür von einer Stiftung in Freiburg ein bescheidenes Gehalt übernommen, um berufsvorbereitende Praktika zu ermöglichen. Einige werden dann vielleicht übernommen, andere können bei einer Bewerbung auf ein Jahr Berufserfahrung verweisen, was die Jobsuche sehr erleichtert (hierzu wollen wir eine Evaluation durchführen).

Es ist geplant, dass zum neuen Jahr im Center eine Stelle geschaffen wird für eine/n Berufsberater/in, der die Kinder und Jugendlichen ab der 8. Klasse bei Berufswahl, Bewerbungen, Jobsuche etc. unterstützt.


Kinder

Die Kinder haben aber insgesamt die COVID-Zeit gut verkraftet, die Atmosphäre im Center ist sehr angenehm.

Der Gesundheitszustand unserer Kinder ist insgesamt sehr gut. Auch die COVID-Prävention und Sexualaufklärung ist in gutem Zustand, die psychologische Betreuung der Kinder könnte kompetenter sein. Wir wollen für nächstes Jahr Fortbildungen für die Hausmütter organisieren.

Die neuen Kinder sind bereits sehr gut integriert, hier zeigen Staff und Kinder hohe soziale Kompetenz. Immer wieder kommen auch Ehemalige zu Besuch ins Center, Studierende unterrichten die Kleinen in den Semesterferien, an ganz vielen Stellen wird deutlich, dass das Center für unsere Kinder wirklich eine Familie ist. Zum Jahreswechsel werden 14 Jugendliche ab 14 Jahren das Center verlassen und in zwei betreuten Wohngemeinschaften (eine für die Jungs, eine für die Mädchen) in der Stadt untergebracht.


Patenschaften

Die Patenschaften sind tatsächlich das Rückgrat unseres Projekts. Ohne Sie, liebe Patinnen und Paten, wäre die Hawassa Childrens Organization nie das geworden was sie ist, ein Zuhause und eine Zukunftschance für unsere Kinder. Dafür Ihnen ganz herzlichen Dank!

Wir unterstützen es sehr, wenn Sie zu ihrem Patenkind Kontakt aufnehmen, aber fühlen Sie sich bitte nicht gedrängt oder genötigt, irgendetwas „leisten zu müssen“, das für Sie nicht stimmig ist. Wir versuchen auch „Bettelbriefe“ der Kinder an die Paten zu unterbinden, aber das funktioniert nicht immer.

Selbstverständlich können Sie gerne Ihrem Patenkind oder auch der Gemeinschaft der Kinder und Jugendlichen ein kleines Geschenk zukommen lassen – aber fühlen Sie sich aber bitte zu nichts verpflichtet. Ihr Beitrag für unser Projekt ist großartig und wertvoll!



Und noch eine Bitte: In den nächsten Monaten wollen wir weitere neue Kinder in unser Center aufnehmen, um den Abgang der Uni-Absolvent*innen auszugleichen. Bitte sprechen Sie Bekannte, Freunde, Kolleginnen und Kollegen an, ob sie bereit wären, eine Patenschaft zu übernehmen, damit auch die Neuankömmlinge möglichst bald einen Paten/eine Patin haben.

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